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„Einzige nationale Minderheit mit Gesetzgebungshoheit in der EU, die kleiner ist als die DG“

Delegation des DG-Parlaments informiert sich über Autonomie der finnischen Åland Inseln

Zwischen dem 23. und 25. September 2015 reiste eine Parlamentsdelegation der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf die finnischen Åland Inseln, die sich aus 6.700 benannten Inseln vor der schwedischen Küste zusammensetzen. Neben Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz und den Parlamentariern Alexander Miesen, Patricia Creutz, Luc Frank, Alfons Velz und Charles Servaty waren auch der Greffier des Parlaments, Stephan Thomas, der Kabinettschef des Ministerpräsidenten, Alfred Velz, und die Englischlehrerin der PDS, Alessandra Wintgens, Teil der Delegation.

Delegation des DG-Parlaments informiert sich über Autonomie der finnischen Åland Inseln

Die finnischen Åland Inseln gehören neben Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu den wenigen nationalen Minderheiten in der EU, die gleichzeitig eine Region mit Gesetzgebungshoheit bildet – also eine Region, die über ein eigenes Parlament und eine Regierung verfügt. Im Gegensatz zu Südtirol ist die schwedischsprachige Region aufgrund der geringen Einwohnerzahlen von knapp 30.000 in Punkto Größenordnung und fehlender Skaleneffekte vergleichbar mit der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Dies war auch der Grund für den Besuch der Delegation auf den Åland Inseln. Die Parlamentarier erhofften sich durch den Austausch mit verschiedensten Akteuren der autonomen Region Denkanstöße für die Ausgestaltung der DG-Autonomie. „Unsere Erwartungen wurden nicht nur erfüllt sondern gar übertroffen. Wir haben zahlreiche Parallelen zwischen unseren beiden Regionen ausgemacht und viele Denkanstöße mit nach Hause gebracht. Beide Seiten sind davon überzeugt, dass wir vieles voneinander lernen können. Entsprechend habe ich der Parlamentspräsidentin gegenüber eine Einladung für den Gegenbesuch einer Aländischen Delegation in der DG ausgesprochen“, so Parlamentspräsident Lambertz im Anschluss an die Reise.

Eine weitere Piste für Austauschmöglichkeiten zwischen den beiden Regionen wurde durch die Kontakte geschaffen, die die Englischlehrerin der Pater Damian Schule als Mitglied der DG-Delegation knüpfen konnte. Alessandra Wintgens hatte das PDG nach den Presseberichten über den Besuch der Präsidentin des Åland-Parlaments in der DG im Dezember 2014 darüber informiert, dass sie derzeit einen Schüleraustausch mit dem finnischen Teilstaat plane. Aus diesem Grund wurde ihr eine Mitreise innerhalb der parlamentarischen Delegation angeboten. 

Zustandekommen des Besuchs

Im Dezember 2014 war die Präsidentin des Parlaments der Ålandinseln, Frau Britt Lundberg, auf Einladung des Parlamentspräsidenten Lambertz in die DG gereist, wo sie verschiedene Einrichtungen besuchte und sich schließlich im Rahmen einer Plenarsitzung mit Parlamentariern der DG über Autonomiefragen austauschte. Bei ihrem Besuch wurde klar, dass es zahlreiche Parallelen zwischen den beiden Regionen und ihren jeweiligen Herausforderungen als kleine sprachliche Minderheiten und Regionen mit Gesetzgebungshoheit gibt. Entsprechend lud Frau Lundberg die Parlamentarier zu einem Besuch auf die Åland Inseln ein.

Geschichtlicher Hintergrund zur Åland-Autonomie

Nachdem die Inseln mehrere hundert Jahre zum schwedischen Einflussbereich gehört hatten, wurden sie zusammen mit dem finnischen Festland Anfang des 19. Jahrhunderts von Russland erobert. Als Finnland 1917 seine Unabhängigkeit von Russland erklärte, waren die Åland Inseln somit trotz der dort gesprochenen schwedischen Sprache erstmals Teil des finnischen Einflussbereichs. Die Bewohner sowie der schwedische Staat forderten eine Wiederangliederung an Schweden. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Ålandfrage dem kürzlich gegründeten Völkerbund angetragen, der einen Kompromiss ausarbeitete in dessen Rahmen allen Akteuren Zugeständnisse gemacht wurden: Finnland durfte das Territorium der Åland Inseln als Teil seines Staatsgebiets behalten, die Aländer erhielten die Zusicherung des Schutzes ihrer Autonomie sowie ihrer Sprache und Kultur und Schweden wurde dadurch besänftigt, dass die Åland Inseln „auf ewig“ zu einer demilitarisierten und neutralen Zone erklärt wurden. 

Ähnlich wie die Gebiete der heutigen DG waren die Åland Inseln somit der Spielball der sie umgebenden Großmächte und Nationen und ähnlich wie im Fall der DG ergab sich aus den entsprechenden geschichtlichen Wechselwirkungen schließlich die Situation einer sprachlichen und kulturellen nationalen Minderheit. Während die Autonomie im Åland-Fall „international“ geboren wurde, geschah dies im in der DG durch die Umwandlung des Einheitsstaats in einen Föderalstaat. Dennoch lassen sich zwischen den Erfahrungen bei der Ausgestaltung der Autonomie auf einem recht kleinen Territorium und für eine sehr begrenzte Anzahl Bewohner zahlreiche Parallelen zwischen den beiden Regionen und entsprechend gegenseitige Lehren in Bezug auf die Ausgestaltung der Autonomie ziehen.

 

Die wichtigsten Programmpunkte:

  • Erläuterungen zur Autonomie der Åland Inseln und zur Funktionsweise des Parlaments im Plenarsaal in Mariehamn durch die Präsidentin des Parlaments Britt Lundberg.

  • Informationen zum Autonomieakt, der die Grundlage der Åland-Autnomie bildet sowie zur Arbeit des Parlamentsausschusses, der derzeit an einer Reform dieses Gesetzestextes arbeitet. (Durch den Vorsitzenden des Ausschusses, Gunnar Jansson)

  • Informationen zu den aktuellen politischen Themen in der Regierung der Åland Inseln (Camilla Gunell, Ministerpräsidentin).

  • Erläuterungen zur Wirtschafts- und Beschäftigungssituation auf den Åland Inseln (Fredrik Karlström, Minister für Handel und Industrie)

  • Vorstellung einer erfolgreichen IT-Firma, die Software im Bereich des Schifffahrts- und Fährbetriebs entwickelt. Erläuterungen zur Eigenheit der Åland-Wirtschaft, Aktien über eine große Anzahl Personen zu streuen, sodass beinahe alle Bürger Anteileigner an einer Vielzahl der über 2.000 Åland-Betriebe sind. (John Bertell, Sales Manager bei Carus PBS)

  • Erläuterung zur Arbeit des Gouverneurs, der den Finnischen Staat in Åland vertritt und als Bindeglied zwischen den beiden Einheiten auftritt.

  • Besuch des Ålands Lyceums und Zusammentreffen mit einer Englischklasse – Besprechung der Möglichkeiten für einen kommunikativen Austausch zwischen Schülern von Åland und der Pater Damian Schule. (Marcus Koskinen-Hagman, Direktor)

  • Besuch der russischen Festungsanlage auf Bomarsund sowie des Maritim-Museums, um die geschichtlichen und geopolitischen Eigenheiten der Inselgruppe zu verdeutlichen.

  • Zusammentreffen mit weiteren Parlamentariern der Åland Inseln.

  • Besuch der Tourismusagentur und Austausch mit der Direktorin (Lotta Berner Sjölund).

  • Informationen zur Arbeit des Åländischen Friedensinstituts, das mit der Überwachung des Åländischen Autonomiestatuts betraut ist und dieses mit Situationen anderswo in der Welt vergleicht (Koordinatorin Petra Granholm und Information Officer Susann Simolin).

  • Übersetzen per Fähre nach Föglö, der größten Gemeinde des „Archipels“ (so nennen die Aländer die Inselgruppen östlich der Hauptinseln). Die Gemeinde zählt 600 Einwohner und organisiert selber den Primarschulunterricht, die Alten- und Behindertenversorgung sowie die Müllentsorgung und den Fährverkehr (Austausch mit dem Bürgermeister Stig Fellman).

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